So sieht die Zukunft der Batterien aus: Marco Righi, Gründer und CEO bei Kaitek Flash Battery, weiß Bescheid
In unserem langen Gespräch, das in diesem Video zu sehen ist, analysiert der Jungunternehmer aus Reggio Emilia brandneue Technologien und die Weiterentwicklungen bestehender Ansätze, mögliche Anwendungsbereiche in den diversen Elektromobilitätssektoren sowie die Aussichten für die Batterie- und Akkubranche.
Die Batterien von Flash Battery? Jede eine Sonderanfertigung
Mit seinem noch kleinen, aber stark wachsenden Unternehmen, das heute zu den drei Marktführern Europas im Bereich Industriebatterien zählt, befindet er sich im Zentrum des Machtkampfes zwischen China und den westlichen Ländern, der sich rund um die strategisch entscheidende Komponente jedes Elektrofahrzeugs abspielt.
„Europa ist dermaßen ins Hintertreffen geraten“, sagt er, „dass wir Jahre brauchen werden. In der Automobilbranche werden allerdings krampfhafte Anstrengungen unternommen. Ich glaube, dass der Bedarf der europäischen Automobilindustrie in vier oder fünf Jahren von europäischen Batterieherstellern gedeckt werden wird.“ Doch sein Unternehmen schielt nicht in Richtung der volumenstarken Autobranche.
Die Firma Kaitek mit 52 Mitarbeitern, von denen 25 in der Forschung und Entwicklung tätig sind, hat sich auf Akku-Sonderanfertigungen spezialisiert. In kleinen und mittleren Serien für Spezialfahrzeuge wie AGVs/LGVs für den Materialtransport, Lieferfahrzeuge für historische Stadtzentren, Bau- und Landmaschinen, GSE, sowieBoote.
Totale Vernetzung und Over-the-Air-Update.
Je nach geforderter Leistung wählt er die am besten geeigneten Batteriezellen am Markt aus.
Anschließend baut er diese zusammen und konzipiert die ausgeklügelte Steuerelektronik, die Batterie „zum Leben erweckt“.
„Die chemischen Abläufe in den Zellen sind nur der Anfang, aber in einer Batterie steckt noch wahnsinnig mehr“, erklärt er.
Dazu gehören Wärmekontrollsysteme, Isolationskontrollen, BMS, Kommunikationsplatinen für die Schnellladefunktion und Überwachung. Die Fernüberwachung ist ein von Kaitek Flash Battery entwickeltes besonderes Extra.
Flash Battery – so sieht Big Data aus
Jeder Moment im Lebenszyklus von 5000 verkauften und miteinander vernetzten Batterien wird in einer Datenbank erfasst und gespeichert, die in der Industrie ihresgleichen sucht. Genau aus diesem Grund ist das Unternehmen aus Reggio Emilia zum Big Player beim Großprojekt European Battery Alliance der Europäischen Union avanciert.
„Durch die Analyse dieser Daten“, sagt Righi, „können wir vorausschauender agieren, aber auch Aktualisierungen aus der Ferne durchführen, um die Fahrzeugparameter noch besser auf die speziellen Anwendungsbereiche der Kunden anzupassen.“
Für Righi werden die nächsten 5 bis 6 Jahre Verbesserungen im chemischen und elektronischen Bereich bringen („Das Ziel von 100 Dollar pro kWh bei Autobatterien ist nicht allzu fern. Der Ausblick für die Industrie ist jedoch ein anderes Thema.“), die richtigen Paradigmenwechsel lassen allerdings noch auf sich warten. Im Labor wird dazu bereits viel experimentiert; Lithium-Schwefel-, Lithium-Luft- und sogar organische Batterieprototypen sind mehr und mehr im Kommen.
„Am meisten im Gespräch sind Lithium-Luft-Batterien“, erklärt er, „aber im Moment warten wir ab, wer sich durchsetzt. Es ist eine Sache, eine Knopfbatterie herzustellen, eine 600-Kilo-Batterie zu produzieren, eine ganz andere.“
Bei Autos würden LFP-Batterien 30 Jahre halten.
Das Duell wird sich kurzfristig zwischen der in der Automobilbranche am meisten verbreiteten NMC-Technologie (Nickel, Mangan, Kobalt) und der im Industriesektor vorherrschenden LFP-Technologie (Lithium, Eisen, Phosphat) abspielen.
„Im Auto wird die Batterie kaum beansprucht. Sie benötigt eine hohe Energiekapazität und Ladegeschwindigkeit. Unsere vorrangig in LFP-Technologie ausgeführten Industrieanwendungen sind hingegen auf Langlebigkeit und Sicherheit ausgerichtet.“
LFP-Batterien erreichen bereits 4000 Ladezyklen, was einer Lebensdauer von 30 Jahren bei Autos entsprechen würde. Die Energiekapazität ist etwas geringer, die Aufladung etwas langsamer und die Steuerelektronik komplexer. Andererseits sind sie kostengünstiger, enthalten kein Kobalt und sind weniger anfällig für das als „Thermal Runaway“ bezeichnete Phänomen.
„Meiner Ansicht nach wird es zu einer Koexistenz kommen: Supersportwagen werden weiterhin auf die NMC-Technologie zurückgreifen, während bei Nutzfahrzeugen eine verbesserte LFP-Technologie zum Einsatz kommen könnte.“
Elektro-Boom bei Bau- und Landmaschinen
Seit eineinhalb Jahren stellt Righi einen regelrechten Boom im Bau- und Landmaschinensektor fest.
Wird Full Electric zum Massenphänomen?
„Nicht in allen Anwendungsbereichen. Aber sicherlich dort, wo der Einsatz nur vorübergehend ist. Im Dauereinsatz nicht; ich kann mir mehr Hybridfahrzeuge mit Verbrennungsmotor oder Wasserstoff-Brennstoffzelle als Unterstützung der Batterien vorstellen.“
Letztere gewinnen im Schiffbau bereits an Boden. Kaitek Flash Battery rüstet beispielsweise die Schiffantriebe von Transfluid aus, die auch für größere Schiffe bereits zugelassen wurden.
Marco Righi fährt ein Tesla Modell S von 2013 mit einer Laufleistung von durchschnittlich 40 000 bis 45 000 km im Jahr. „Range Anxiety“ ist für ihn tatsächlich ein Fremdwort. Nicht so sehr wegen der garantiert großen Reichweite seines Tesla, sondern der hohen Effizienz der Supercharger-Netzwerke.
„Die Massenverbreitung des Elektroautos wird nicht durch die Batteriereichweite, sondern die Anzahl der Ladestationen beschränkt“, erklärt er.
Eine letzte Anmerkung zum Lockdown, der „uns glücklicherweise nur marginal betroffen hat.“ Kaitek Flash Battery hat seinen Betrieb für den Support der fahrerlosen Transportfahrzeuge in der Lebensmittelbranche am Laufen gehalten, die in den letzten Wochen einen bislang beispiellosen Kraftakt zu stemmen hatten.
„Wir sehen ihren Verbrauch per Fernüberwachung: Das waren absolute Rekordwerte.“
RICHTIGSTELLUNG Marco Righi erklärt im Verlauf des Interviews, dass die FLP-Technologie bereits bei einigen Autobatterien im Einsatz ist, beispielsweise bei BMW. Das war selbstverständlich ein Lapsus. Im Anschluss stellte er klar, dass er sich auf BYD und die soeben auf den Markt gebrachte Blade Battery bezogen hatte.